Wie weit rutscht Deutschland in die Rezession? – Atradius Umfrage zeichnet pessimistisches Bild
Januar 2023 - Ein gutes neues Jahr? Nicht unbedingt für deutsche Unternehmer – für fast die Hälfte von ihnen driftet Deutschland 2023 in eine Rezession. Zu diesem beunruhigenden Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Atradius zur Konjunkturaussicht 2023.
Teilgenommen haben knapp 400 Firmen aus unterschiedlichen Branchen. 48 Prozent stellen sich auf eine wirtschaftliche Stagnation ein, 44 Prozent sogar auf eine Rezession. Risikoexperte Frank Liebold, Country Director Germany bei Atradius, pflichtet dieser Einschätzung bei. Inflation, Energiekosten und der Fachkräftemangel führen das Ranking der größten Unternehmensrisiken 2023 an und verbreiten Beklemmung.
Bei Chemie, Bau, Metall, Landwirtschaft und Papier stehen die Zeichen auf Sturm
Vor allem die Branchen Chemie, Bau, Metall, Landwirtschaft und Papier sehen sich für 2023 mit immensen Herausforderungen konfrontiert – hier ist der Anteil jener, die Angst vor einer Rezession haben, besonders hoch: 59 Prozent der deutschen Chemie-Firmen erwarten einen konjunkturellen Abschwung. Im Bau-Sektor sind es 57 Prozent, bei Metall 55 Prozent. Nahezu alle Befragten aus Papier und Landwirtschaft fürchten entweder eine Stagnation der Wirtschaft oder sogar eine negative Entwicklung.
Atradius-Experte teilt die Befürchtungen
„Die derzeitige Wirtschaftslage dürfte zu einer weltweiten Stagflation im Jahr 2023 führen“, folgert Frank Liebold, Country Director Germany bei Atradius. „Auch im kommenden Jahr ist mit einer straffen Geldpolitik der Notenbanken zu rechnen. Damit bleiben Firmenkredite teurer und die Zinsen für Unternehmensanleihen hoch.“ Die gravierenden Folgen: Die Liquidität sinkt, Investitionen werden verschoben und somit Produktionssteigerungen ausgebremst.
Liebold sieht für die Eurozone einen Rückgang des BIP-Wachstums um 0,1 Prozent, nach einem Anstieg von 3,1 Prozent in 2022. Deutschland trifft es wohl noch härter: „Das BIP-Wachstum wird 2023 voraussichtlich um 1,1 Prozent zurückgehen. 2024 ist ein Anstieg von etwa 2,7 Prozent wahrscheinlich.“
Größter Knackpunkt sind Inflation und Energie
Die befragten Unternehmer sind sich einig: Die Inflation und die gestiegenen Energiekosten sind 2023 die größten unternehmerischen Risiken. Weitere Unsicherheitsfaktoren entspringen dem Fachkräftemangel, der geopolitischen Entwicklung und dem erwarteten konjunkturellen Abschwung. Rund drei Viertel gehen davon aus, dass die Inflation in Deutschland auf dem aktuellen Level stagniert (45 Prozent) oder weiter steigen wird (29 Prozent).
Risikoexperte und Unternehmer gleichermaßen pessimistisch
„Gegenüber 2022 wird die Inflation in Deutschland um etwa 5,1 Prozent wachsen“, prognostiziert Experte Liebold. „2024 hat sich die Inflationssteigerung voraussichtlich so weit abgeschwächt, dass sie auf gleichem Niveau verharren wird.“ Damit steigt die Inflation 2023 zwar, die Kurve gegenüber 2022 mit einer Inflationszunahme von über 8 Prozent flacht jedoch ab. Was im Umkehrschluss bedeutet: Die Lebenshaltungskosten und die Preise für Materialien und Rohstoffe bleiben vorläufig hoch.
Diese düstere Einschätzung teilen die befragten Unternehmer: 46 Prozent rechnet mit einer Stagnation der Rohstoffpreise auf derzeitigem Niveau, fast ein Drittel mit einer weiteren Verteuerung. 60 Prozent glauben an einen Fortbestand der geopolitischen Unsicherheiten in 2023. „Solange der Krieg in der Ukraine andauert, bleiben die Märkte volatil“, weiß Liebold. „Das gilt auch für die Energiemärkte.“
Allerdings: Aufgrund von Basiseffekten dürften die Energie- und Lebensmittelpreise 2023 fallen – ob auf Vorkrisenniveau, ist jedoch mehr als fraglich. Sein Fazit: „Die Lage für die Unternehmen bleibt also in der Tat sehr unsicher.
Fachkräfte händeringend gesucht
Zu den globalen wirtschaftlichen und geopolitischen Problemen – und damit zu den größten Unternehmensrisiken 2023 – gesellt sich ein europäisches Problem: der Fachkräftemangel, speziell im Handwerk. Laut Atradius-Studie plant etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden im Jahr 2023 Neueinstellungen. Gleichzeitig ist den Firmen der Fachkräftemangel deutlich bewusst: 65 Prozent gehen davon aus, dass sie ihren Mitarbeiterbedarf nur zum Teil oder gar nicht abdecken können.
„Die Summe der wirtschaftlichen Herausforderungen ist für Unternehmen sämtlicher Größenordnungen eine Mammutaufgabe. Die Anforderungen an die Management-Teams sind meist äußerst hoch – sie müssen ihr Unternehmen durch diese sehr komplexe und schwierige Situation steuern, ohne dass die Organisation in massive Schwierigkeiten gerät“, resümiert der Deutschlandchef von Atradius.
Alle Ergebnisse der Atradius-Studie finden Sie hier. Zusätzlich dazu steht Ihnen der aktuelle Economic Outlook zum Download hier zur Verfügung.