Widerstandskraft in der Wirtschaftskrise: Polen & Deutschland
Ein Kommentar unseres Sales Managers Mariusz Pogorzala.Polen war zur Jahreswende 1978/1979 von Eis und Schnee bedeckt. Der Jahrhundertwinter, wie er genannt wurde, hat alle sehr hart getroffen. Zwei Jahre nach dem Jahrhundertwinter kam es zu einer schweren Versorgungskrise auf dem Markt, und es bildeten sich stundenlange Schlangen vor den Geschäften. Die Krisen, mit denen Polen und auch Deutschland, im Jahr 2022 konfrontiert werden, kommen nicht an die Unannehmlichkeiten aus der Zeit des Kriegsrechts heran. Auf der anderen Seite, verglichen mit der heutigen Situation in der Ukraine, war auch das Jahr 1981 in Polen ein Kinderspiel.
Perspektivenwechsel - jede Krise geht vorbei
Bei der Bewertung einer Krise ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass eine Krise nur eine Phase ist, der wir uns stellen müssen, die aber letztlich nicht ewig dauern wird.
Eine Krise ist oft eine Ansammlung von Managementfehlern und ungünstigen, unveränderlichen äußeren Umständen. Ich stimme dem amerikanischen Bestsellerautor G. Michael Hopf zu, der 2016 in seiner postapokalyptischen Novelle "Those Who Remain (The New World #7)" schrieb: " (...) harte Zeiten schaffen starke Menschen, starke Menschen schaffen gute Zeiten, gute Zeiten schaffen schwache Menschen, schwache Menschen schaffen harte Zeiten". Eine solche zyklische Betrachtungsweise der Geschichte lässt sich sicherlich durch viele Beispiele belegen, aber sie untermauert auch die offensichtliche Tatsache, dass eine Krise lediglich eine Phase in einem Zyklus ist.
Aber woran erkennt man eine Wirtschaftskrise?
Welche Indikatoren zeigen, dass eine Krise vorliegt? Zwar gibt es kein perfektes Krisenradar, aber es gibt Anzeichen, die auf eine deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hindeuten.
Nehmen wir zum Beispiel die Inflation in Polen (Daten vom August 2022): + 16,1 %. Hätte man eine solche Inflation vorhersehen können? Der polnische Rat für Geldpolitik hat erst nach zehn Monaten reagiert, nachdem der Preisindex für Waren und Dienstleistungen stetig und deutlich gestiegen war. Warum werden die Zinssätze nicht erhöht? Nach Ansicht vieler Ökonomen helfen niedrige Zinsen der Wirtschaft, d.h. den Unternehmern, auf denen die Stärke der Wirtschaft beruht. Die erste geringfügige Erhöhung der Zinssätze erfolgte erst im Oktober 2021.
Gibt es Profiteure der Inflation?
Die Antwort ist einfach: kurzfristig hat die Inflation nur einen positiven Effekt auf die Staatskasse. In unsicheren Zeiten wird Stabilität zu einem Wert. Maßnahmen zur Normalisierung der wirtschaftlichen Lage sind nötig, um die Krise nicht weiter zu vertiefen. Die Polnische Regierung hat gerade den Haushaltsentwurf für 2023 verabschiedet, wobei sie von einer Inflation von 9,8 % im Jahr 2023 ausgeht. Zur
Erinnerung: Im Jahr 2021 ging sie von einer Inflation von 3,3 % für 2022 aus. Das Jahr 2022 ist noch nicht vorbei und wir liegen bei 16,1 % mit steigender Tendenz. Es ist beängstigend sich, dieser Analogie folgend, vorzustellen, wie die Realität im Jahr 2023 aussehen wird.
Vergleich der wirtschaftlichen Lage in Polen & Deutschland
In Deutschland spricht man derzeit von der größten Krise, die Deutschland je erlebt hat. Laut einer McKinsey-Umfrage vom Juni 2022 zu aktuellen Problemen nannte die große Mehrheit der Deutschen die steigenden Preise als größte Bedrohung. Immerhin 48 % der Befragten sahen dies als größte Bedrohung, an zweiter Stelle stand der Einmarsch Russlands in der Ukraine, gefolgt von der globalen Erwärmung und dann Covid. Statistisch gesehen ist die Angst der deutschen Bürger, mehr Geld auszugeben, genauso groß wie die vor allen anderen Problemen zusammen. Die Krise wird nicht nur in Nachrichtensendungen, zu Hause oder am Arbeitsplatz thematisiert. Auch deutsche Politiker sprechen über die Krise. Sie geben zu, dass die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas ein schwerer strategischer Fehler war und ist. Es wurden bereits Maßnahmen zur Förderung des sparsamen Umgangs mit allen Ressourcen ergriffen, und es werden zahlreiche Versuche unternommen, die Energie- und Brennstoffversorgung zu diversifizieren, was sicherlich dazu beitragen wird, die negativen Auswirkungen der russischen Energieerpressung und die Folgen der gegen Russland verhängten Sanktionen abzumildern. (Schauen wir uns dazu folgende Entwicklung an:)Die wirtschaftliche Lage Deutschlands sieht im Vergleich zu Polen nicht schlechter aus. Das deutsche BIP bleibt im Vergleich zu dem Polens stabil. Die Inflation in Deutschland ist nach den Daten für September 2022 zumindest noch niedriger als in Polen: in Deutschland sind es 10%, in Polen 16,1%.
Warum also ist die Angst vor steigenden Preisen in Deutschland größer als in Polen?
Die Antwort liegt meiner Meinung nach auf der Hand. Das Gefühl einer Krise muss sich immer auf Situationen beziehen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Je schwieriger die Situation war, mit der wir in der Vergangenheit konfrontiert waren, desto größer ist der Widerstand gegen ähnliche Ereignisse in der Zukunft.
Es lohnt sich, daran zu denken, dass die Krise nur eine Phase war, ist und bleiben wird - ein Teil eines Zyklus. Noch wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass die fehlende Reaktion auf die Krisensituation und das Versäumnis, Maßnahmen zu ergreifen, die es der Wirtschaft ermöglichen, auf die Krisenrealität zu reagieren, ein großer Fehler ist. Wenn die Realität und Wirtschaftsindikatoren verschleiert oder sogar ignoriert werden, nur um angesichts bevorstehender Parlamentswahlen keine harten Maßnahmen ergreifen zu müssen, wird dies leider zu einer Ausweitung der wirtschaftlichen Probleme führen.
Die Erholung von der Krise wird in Ländern, in denen nicht rechtzeitig gehandelt wurde, sehr viel schwieriger sein. Jene Länder, die schnell schwierige Entscheidungen getroffen und die Wirtschaftslage transparent mit der Öffentlichkeit geteilt haben, werden davon profitieren.
Mariusz stammt gebürtig aus Polen und arbeitet seit 2004 für Atradius. Mittlerweile ist er in der Vertriebsniederlassung Köln tätig und verknüpft in seinen Beiträgen Erfahrungen und Expertise mit aktuellen Entwicklungen in Deutschland und Polen. Lesen Sie den vollständigen Kommentar unseres Sales Managers in seinem Blog "Export nach Polen".