Die Uhr tickt am Energiemarkt
Nach den Gaspreisen nun auch die Strompreise: eine Krise jagt die nächste.
Die Folgen der geopolitischen Instabilität sorgen für immer neue wirtschaftliche Verwerfungen und der Putin`sche Energieboykott hält Deutschland in einer Art permanenten Ausnahmezustand. Unsere Wirtschaft die Politik und die internationale Gemeinschaft stehen vor gigantischen Aufgaben: Energiewende und Klimaschutz, ESG und Investorendruck, Transformation und Digitalisierung, Regulierung und Marktklima.
Wie können Unternehmen all diese Anforderungen in Einklang bringen?
Der EMI gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Die deutsche Wirtschaft befindet sich angesichts von Demografie, Klimakrise, Deglobalisierung und technologischen Disruptionen in einer Umbruchphase, die sich 2023 fortsetzen wird.
Auch wenn die Lieferengpässe sich schrittweise entspannen und Unternehmen ihre Aufträge besser abarbeiten können bleiben Risiken: Die weltweite Nachfrage schwächelt und hohe Corona-Zahlen in China und damit verbundene Produktionsausfälle könnten den internationalen Lieferverkehr wieder aus dem Gleichgewicht bringen.
Damit die immer neuen Herausforderungen für kleinere und mittlere Unternehmen nicht zum Kampf gegen Windmühlen werden, sind die Akteure in der Politik gefragter denn je. Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr.
Wirtschaft und Politik müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um einerseits wirtschaftlich gut durch die Dauerkrisen zu kommen und andererseits soll der Spagat gelingen – den derzeitigen Entwicklungen im Energiesektor zum Trotz – auch noch die Klimaziele zu erreichen. Hier einen ausgewogenen Ansatz für alle Akteure zu finden ist und bleibt eine große Herausforderung. Die unangenehme Wahrheit ist, es gibt keine einfache Lösung des Konfliktes. Ein internationales Commitment zu den Klimazielen und der Energiewende, sowie deren schnellstmögliche Umsetzung mit allen Marktteilnehmern und Regularien auf globaler Ebene, wäre angesichts der aktuellen Entwicklungen das vordringlichste Mittel der Wahl. Denn die Zeit läuft uns davon.
Die Entwicklungen im Energiesektor
Atradius berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklungen im Energiesektor. Der nächste Energy Outlook mit detaillierteren Einzelberichten zu Öl, Gas und erneuerbaren Energien sowie der Länderrisikoanalyse wird kurz nach dem World Energy Outlook (WEO) der International Energy Agency (IEA), also im Dezember 2022, veröffentlicht werden. Hier geht es zum letzten Zwischenbericht vom Mai 2022 mit besonderem Augenmerk auf den Energiesektor und einem Update zum IEA World Energy Outlook 2021 im Kontext der Ergebnisse des Cop26-Klimagipfels in Glasgow. Einen aktuellen Ausblick über die gesamtwirtschaftliche Lage weltweit finden Sie hier.
Der Zwischenreport zeigt die Entwicklungen im Energiemix mit verschiedenen neuen Szenarien: Angestrebt wird ein neues normatives Szenario, „Net-Zero 2050“, sowie ein neues Benchmark-Szenario, das so genannte Announced Pledges Scenario (APS). Lesen Sie dazu den ausführlichen Report in englischer Sprache (link) mit einem genaueren Blick, auf die Ergebnisse des Cop26-Klimagipfels. Neu sind dabei zwei wichtige Entscheidungen:
Gefühl der Dringlichkeit: Vom Traumszenario zur Netto-Null 2050
- Das STEPS-Szenario, das bisher als Referenzszenario verwendet wurde, wird durch ein Szenario ersetzt, das auch (Netto-Null-)Zusagen umfasst: das Szenario der angekündigten Zusagen (APS). Dieses Szenario ist wohl optimistischer, wird aber durch die Wahrscheinlichkeit gerechtfertigt, dass die Länder ihre Verpflichtungen einhalten werden - nachdem das Gefühl der Dringlichkeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel an Schwung gewonnen hat.
- Das Szenario der nachhaltigen Entwicklung, das wir bisher als "Traumszenario" verwendet haben, wird durch das Szenario "Netto-Null 2050" ersetzt werden, bei dem der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Obwohl es optimistischer ist, hält Atradius dieses Szenario für zielgerichteter, da es auch mit dem APS verknüpft ist, in dem das Temperaturziel des Pariser Abkommens nicht erreicht wird.
Sowohl in der APS als auch in “Net-Zero 2050“ spielen Energieeffizienz sowie Elektrifizierung anstelle von fossilen Brennstoffen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. Die Welt von Net-Zero 2050 unterscheidet sich jedoch grundlegend von der heutigen Welt: Dank hoher Investitionen in neue Technologien und in die Weiterentwicklung von Prototypen, spielen Elektrifizierung und Energieeffizienz eine viel größere Rolle als in der APS.
Auf der UN-Klimakonferenz COP26 wurden weitere Schritte in Richtung "Netto-Null" 2050 in die Wege geleitet, die dem APS-Szenario mehr Stabilität verleihen. So wird an verbindlichen Vereinbarungen zur Finanzierung, zu den Methanemissionen und Kontrollmechanismen gearbeitet.