credit_card_fullcolor_3c_hr_header

Unruhiges Fahrwasser für deutsche Firmen

Das Zahlungsmoralbarometer Deutschland 2023

Mai 2023 – Die Zahlungsmoral in Westeuropa verschlechtert sich – und deutsche Lieferanten werden besonders gebeutelt. Das zeigt die aktuelle Zahlungsmoralbarometer-Studie von Atradius in 14 Ländern.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Einige konkrete Zahlen aus Deutschland: Die befragten Unternehmen mussten 8 % ihrer Außenstände als Verlust abschreiben – ein dramatischer Anstieg von 60 % gegenüber dem Zahlungsmoralbarometer 2022. Noch drastischer schnellten die Zahlungsverzögerungen in die Höhe. 2023_6_ppt PPB Deutschland-1In den letzten zwölf Monaten waren 51 % der Rechnungen, und damit 65 % mehr als im Vorjahr, am Fälligkeitstag noch nicht beglichen. Damit hat sich die Zahlungsmoral überdurchschnittlich stark eingetrübt und Deutschland rangiert unter ferner liefen. Zum Vergleich: Im westeuropäischen Durchschnitt der Atradius-Studie stiegen die verspäteten Zahlungen um 20 %.

Um gegenzusteuern, setzen die Unternehmen vermehrt auf Lieferantenkredite. Doch lassen sich so steigende Zinsen und eine restriktivere Kreditvergabe effektiv abfedern?

 

Experte sieht schwarz bei Insolvenzen

„Die aktuellen Ergebnisse des Zahlungsmoralbarometers zeigen, dass sich die finanzielle Lage vieler Firmen in Deutschland zuspitzt. Bei rund der Hälfte der interviewten Unternehmen hatten Liquiditätsengpässe der Kunden deren Zahlungsmoral verschlechtert. Die Hauptursachen sind die hohe Inflation und die steigenden Zinsen. Sie belasten die Zahlungsfähigkeit“, analysiert Frank Liebold, Country Director Deutschland der Atradius Kreditversicherung.

Ein weiterer Aspekt befeuert diese Entwicklung. „Gleichzeitig agieren die Banken angesichts steigender Unsicherheiten wieder restriktiver bei der Kreditvergabe. Wir gehen davon aus, dass sich die finanzielle Situation deutscher Firmen in diesem Jahr gegenüber 2022 verschlechtert und es zu mehr Insolvenzen kommt.“

 

Nicht ohne Risiko: Lieferantenkredite zur Sicherung des Cashflows

Welche Gegenmaßnahmen kommen angesichts der verhaltenen wirtschaftlichen Entwicklung in Frage, um den Cashflow aufrechtzuerhalten? Die befragten deutschen Firmen setzen vor allem auf Warenkredite von ihren Lieferanten, die bei Geschäften mit Zahlungsziel nach erfolgter Lieferung oder Dienstleistung entstehen. So stieg der Anteil jener, die von ihren Lieferanten Warenkredite und die Bezahlung auf Rechnung verlangen, auf 49 %. Gleichzeitig gewährten 75 % ihren Kunden kürzere Zahlungsziele, die durchschnittliche Zahlungsfrist schrumpfte auf 30 Tage.

„Zahlungsziele einzuräumen kann im Wettbewerb um Aufträge ein echter Vorteil sein und gerade in dieser wirtschaftlichen Schwächephase wichtige Umsätze sichern“, erläutert Frank Liebold. „Jedoch besteht immer das Risiko, dass ein Abnehmer in die Insolvenz rutscht und eine Lieferung nicht mehr bezahlt wird. Wir bei Atradius können sehr präzise vorhersagen, wie wahrscheinlich ein solcher Zahlungsausfall ist. Wir sichern Lieferanten für solche Fälle ab, sodass ihr Cashflow nicht gefährdet wird.“

 

Ausblick: Auftragslage gut, Zahlungsmoral bescheiden

Wo sehen sich die befragten Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten? 59 % rechnen mit mehr Umsätzen als im vergangenen Jahr (32 %: keine Veränderung, 9 %: Verschlechterung). 

Präsentation1Gleichzeitig gehen aber 38 % davon aus, dass sich die Zahlungsmoral ihrer Firmenkunden verschlechtert – ein überdurchschnittlicher Anteil im westeuropäischen Vergleich. 42 % erwarten ein gleichbleibendes Zahlungsverhalten und nur 20 % eine Verbesserung. 

 

 

Wo hakt es besonders?

Als größte Herausforderungen der kommenden Monate bewerten die befragten deutschen Firmen die Energiekrise: Neben den Strom- und Gaspreisen ist vor allem die chemische Industrie besorgt um die Speicherung nachhaltiger Energie. Über alle Branchen hinweg wächst die Angst vor steigendem Wettbewerbsdruck angesichts zunehmender Kosten.

Atradius rechnet weltweit mit mehr Insolvenzen, was die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiter trifft. „Deutschlands Wirtschaft ist zahlreichen Unsicherheiten ausgesetzt, die die finanzielle Stabilität der hiesigen Unternehmen massiv beeinträchtigen können. Angesichts fehlender Liquidität wird teils ein Großteil der Barmittel für das Tagesgeschäft verwendet, und für Investitionen bleiben nicht genügend liquide Mittel übrig. Das kann negative Folgen für das Unternehmenswachstum haben und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland schwächen“, fasst Frank Liebold die Ergebnisse zusammen.

 

Allein in Deutschland standen 248 Firmen Rede und Antwort

Das Zahlungsmoralbarometer Deutschland ist Teil der aktuellen Zahlungsmoralbarometer-Studie Westeuropa des internationalen Kreditversicherers Atradius. Für die Studie wurden Unternehmen in 14 Märkten zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft befragt. Mit dabei waren Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, das Vereinigte Königreich und zum ersten Mal auch Finnland. Die 248 Befragten aus Deutschland kamen aus Industrie, Einzel- und Großhandel – vom kleinen Unternehmen bis zum großen Konzern.

Alle Ergebnisse des Atradius-Zahlungsmoralbarometers Deutschland 2023 finden Sie unter diesem Link

Share this article on