Mit Zuversicht in ein schwieriges Jahr
Trotz Polykrise und hoher Energiekosten: milde Rezession erwartet
Gleich zu Jahresbeginn haben sinkende Öl- und Gaspreise sowie fallende Inflationsraten zu einem fulminanten Börsenstart geführt. In Deutschland ging die Preissteigerungsrate von zehn auf zuletzt achteinhalb Prozent zurück. In den USA schwächt sich die Inflation noch stärker ab. Unternehmen und Wirtschaft sind robuster als erwartet. Sind diese Erwartungen im Jahr zwei der Zeitenwende trügerisch? Darauf weisen im Moment viele Ökonomen und Analysten hin. Öl und Gas kosten weniger als zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Dennoch sorgen sich die Unternehmen um die Energiepreisentwicklung.
Finanzielle Mehrbelastung verlangt nach Alternativen
Einer Umfrage des Warenkreditversicherers Atradius unter mehr als 400 deutschen Firmen zufolge, sehen 88,5 Prozent der Unternehmen die gestiegenen Energiepreise als Belastung. Bei rund einem Viertel der Befragten (24,7 Prozent) beträgt die finanzielle Mehrbelastung durch die Preissteigerungen mehr als eine Million Euro.
Unserer Atradius-Studie zufolge fühlt sich mehr als die Hälfte aller Befragten stark oder sehr stark (35,5 und 18,2 Prozent) von den Energiepreissteigerungen belastet (s. Abb.).
Etwas mehr als ein Drittel (34,8 Prozent) empfindet nur einen leichten Kostendruck. 9,1 Prozent der Befragten geben an, dass sie die Preissteigerung kaum als Belastung empfinden. Überhaupt nicht tangiert fühlen sich 2,4 Prozent der befragten Unternehmen. Gleichzeitig müssen rund 75 Prozent der Befragten Mehrkosten in Höhe von bis zu einer Million Euro stemmen, 14,9 Prozent geben eine finanzielle Mehrbelastung in Höhe von bis zu drei Millionen an, bei 4,1 Prozent der Befragten sind es bis zu fünf Millionen und 5,8 Prozent werden nach eigener Einschätzung die Fünf-Millionen-Marke überschreiten.
Auch wenn die Gasreserven uns über den Winter bringen, die große Rezession wohl ausbleibt und die Inflation ihren Höhepunkt bald überschritten haben könnte, bleiben die strukturellen Herausforderungen: Sicherung der Energieversorgung und der industriellen Basis, Kampf gegen den Klimawandel und die Klimafolgen, Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit, Demografie und Digitalisierung. Das Tempo der Veränderung und die Komplexität der Aufgaben werden hoch bleiben.
Besonders zu kämpfen haben energieintensive Branchen wie Stahl- und Metall sowie insbesondere auch der Chemie-Sektor. Denn in der Chemiebranche wird Gas nicht nur zur Energieerzeugung, sondern teilweise auch als Produktbestandteil benötigt. Die Mehrheit der Befragten plant, künftig verstärkt auf alternative Energien wie Solar, Wind oder Wasserkraft zu setzen.
„Wer kann, sollte sich so zeitnah wie möglich breiter aufstellen und neben konventionellen Energieträgern wie Gas weitere Quellen – beispielsweise Solar-, Wind oder Wasserkraft – hinzuziehen“, betont Frank Liebold, Country Director bei Atradius Deutschland .
Was die Energieversorgung betrifft, so hält der Risikoexperte eine zunehmende Nutzung alternativer Energieträger mittelfristig für unumgänglich. Laut Atradius-Umfrage ist dies bei einem Großteil der befragten Unternehmen bereits in Planung: 43,7 Prozent der Befragten wollen künftig verstärkt auf alternative Energieträger setzen. Allerdings gibt auch fast ein Viertel der Befragten an, dies nicht zu beabsichtigen. Beinahe ein Drittel – 31,9 Prozent – ist diesbezüglich laut Befragung noch unentschieden.
Insolvenzen mit Dominoeffekt vermeiden
Probleme mit der Energieversorgung, die Folgen der Inflation, steigende Zinsen und weiterhin gestörte Lieferketten – für viele Firmen ist die Lage ernst. Käme es in einem einzelnen Industriezweig zu einer größeren Insolvenz, könnte dies einen Dominoeffekt innerhalb der Branche und in angrenzende Sektoren hinein nach sich ziehen. Ein solches Szenario gilt es daher dringend zu vermeiden.
Zwar rechnen die meisten Experten noch immer mit einer Rezession, doch die könnte deutlich milder ausfallen als ursprünglich befürchtet. Ein Grund dafür sind die robusten Arbeitsmärkte. Ohne einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, der sich im Moment weder in den USA noch in der Euro-Zone abzeichnet, ist ein starker Rückgang des privaten Konsums unwahrscheinlich.
Darüber hinaus haben die Zentralbanken wiederholt klargestellt, dass für sie die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität hat. Angesichts von Teuerungsraten von unter neun Prozent in der Euro-Zone und sieben Prozent in den USA sind weitere Zinserhöhungen in den nächsten Monaten sehr wahrscheinlich. Zum anderen werden die Zinsen von der konjunkturellen Lage beeinflusst. Die Wirtschaft wächst weiter - mit steigenden Unternehmensgewinnen. Steigende Zinsen wirken sich erst im späteren Verlauf zunehmend negativ aus: Für Unternehmen und Verbraucher verteuern sich neue Kredite und Anleihen, was die Investitionen und den Konsum schwächt.
Mutig, verantwortungsvoll und pragmatisch Handeln
Nicht nur die massiven Kostensteigerungen werden derzeit zum echten Problem für viele Firmen, sondern auch die Tatsache, dass die Preise für die Zukunft nur schwer vorhersehbar sind. Wenn wir nächstes Jahr zurückblicken, welcher Weg wäre der optimalere gewesen? Einer, der für die Unternehmen eben möglich war und gegangen wurde. Ohne Mut erschließen sich keine neuen Wege, ohne Pragmatismus kann man sie nicht gehen.
„Stabilität, Flexibilität und ein respektvoller Umgang, sowie ein wertschätzendes Miteinander, das schätzen unsere Kunden an Atradius, und so können wir sie auch in turbulenten Zeiten unterstützen,“ kommentiert Frank Liebold. Wenn vieles zerfällt und Neues entsteht, müssen das Menschliche und das Verbindende gestärkt werden.
Haben Sie Fragen?
Wir sind gerne Ihr Ansprechpartner - kompetent und unverbindlich.