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Lage der deutschen Papierindustrie verschärft sich

Große Belastungen durch Energiekosten, Rohstoffmangel und Ukraine-Krise

Mai 2022: Die Lage der deutschen Papierindustrie ist seit Längerem angespannt – und ein Ende der Abwärtsspirale noch nicht in Sicht. Sinkende Nachfrage, steigende Energiekosten und Rohstoffmangel setzen die Papierhersteller massiv unter Druck. Weitere Faktoren sind das Auslaufen der Corona-Hilfen und der Krieg gegen die Ukraine.

Vulnerable Branche: 40 Prozent weniger Nachfrage in den letzten zehn Jahren

In den vergangenen zehn Jahren sank die Nachfrage nach grafischem Papier für Zeitungen, Bücher oder Prospekte um 40 Prozent. Zahlreiche Unternehmen gingen in die Insolvenz, Produktionen wurden stillgelegt oder auf Verpackungen und Kartons umgestellt. „Der aktuelle Mangel bei Zellstoff und Altpapier sowie die steigenden Energiepreise verschärfen die Situation der Unternehmen zunehmend“, berichtet Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services beim internationalen Kreditversicherer Atradius, angesichts der steigenden Zahlungsausfälle.

 

Rohstoffmangel und Lieferprobleme: Über die Hälfte der Papierhersteller im Zahlungsverzug

Mehr als 75 Prozent der über 600 deutschen Papierunternehmen leiden unter akutem Rohstoffmangel – mit direkten Auswirkungen auf Abnehmer wie Druckereien, Verlage, Verpackungs- und Kartonhersteller. Auch Pharmaunternehmen können keine Beipackzettel mehr drucken. „Die hohe Nachfrage insbesondere aus Asien und China kann nicht bedient werden. 90 Prozent der Abnehmer, mit denen wir in Kontakt stehen, berichten von Lieferproblemen“, so Karrenberg weiter.

Mit gravierenden Folgen für die deutschen Papierhersteller: Nach einer internen Analyse von Atradius lagen die Nichtzahlungsmeldungen im ersten Quartal 2022 um 60 Prozent über dem Vorjahreswert. Dazu beigetragen hat ein Mix aus versiegenden Corona-Hilfen und den steigenden Preisen für Rohstoffe und Energie. Verschärft sich die Lage in der Ukraine weiter, kommt es wohl auch in der deutschen Papierindustrie zu einer deutlichen Marktkonsolidierung, und einige Unternehmen verschwinden.

 

Erdgas-Versorgung als weiterer Unsicherheitsfaktor

Papierherstellung ist sehr energieintensiv. Deshalb dürfte auch die anhaltende Diskussion um ein russisches Gas-Embargo Sorge bereiten. Schon vor der Ukraine-Krise machten sich die gestiegenen Energiepreise bei einigen Papierproduzenten bemerkbar, bis hin zum Abstellen der Produktion.

Zum Hintergrund: Der Erdgasanteil am Gesamtbrennstoffeinsatz liegt aktuell bei 55 Prozent. Eine Umstellung auf andere Energieträger ist nach Angaben des Verbands der deutschen Papierindustrie problematisch. Lediglich 10 bis 15 Prozent des Erdgasbezugs in der deutschen Papierindustrie (rund 3 TWh Erdgas) wären aus Sicht des Verbands noch in diesem Jahr ersetzbar. „Ein Gas-Stopp aus Russland würde die Branche hart treffen“, urteilt auch Michael Karrenberg.

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Marktkonsolidierung bedroht vor allem Hersteller von grafischem Papier

Wie sich die deutsche Papierindustrie entwickelt, ist laut Michael Karrenberg schwer abzusehen. Gefahr droht vor allem bei einer Fortdauer der Ukraine-Krise, bei gleichzeitig hohen Energiekosten und anhaltendem Rohstoffmangel. Dann dürfte sich die Marktkonsolidierung insbesondere bei den grafischen Papieren beschleunigen – viele Unternehmen werden nicht dauerhaft bestehen können. In Segmenten wie Hygienepapier oder Verpackungen sei die Lage aufgrund der anhaltenden Nachfrage und des stabilen Bedarfs weniger gravierend.

 

Empfehlungen von Atradius für Partner der deutschen Papierindustrie

Für alle Marktteilnehmer gilt aktuell, um drohenden Zahlungsausfällen vorzubeugen: Nutzen Sie geeignete Maßnahmen wie Preisgleitklauseln oder steigen Sie wenn möglich auf alternative Energien um. Den Lieferanten der deutschen Papierindustrie empfiehlt Atradius, sich vor dem Vertragsabschluss ein genaues Bild von der Liquiditätssituation ihrer Kunden zu machen. Ist das Risiko eines Forderungsausfalls zu groß, sollten Lieferanten auf sichere Zahlungsmethoden wie Direktzahlung setzen. Eine weitere Möglichkeit ist der Abschluss einer Warenkreditversicherung. Atradius bietet Unternehmen nicht nur Produkte zur Absicherung von Warengeschäften, sondern stellt seinen Kunden zudem weitreichenden Brancheninformationen und Risikoeinschätzungen zur Verfügung. So können Unternehmen ihre Liquidität schützen und gleichzeitig ihr Geschäft sicher ausbauen.

 

Noch mehr Ausblicke und Einblicke

Die Publikationen von Atradius geben einen Überblick über die Wirtschaftslage in mehr als 40 Ländern sowie Ausblicke auf den Handel wichtiger Industrien.

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