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Stimmung der Weltwirtschaft trübt sich ein

Mehr Insolvenzen in 2022 und nur noch ein BIP-Wachstum von 3,4 Prozent weltweit

April 2022: Die Wirtschaft rund um den Globus ist angespannt, die Lage so unvorhersehbar wie selten. Faktoren für diese getrübten Aussichten sind der Einmarsch Russlands in die Ukraine, höhere Rohstoffpreise, Unterbrechungen der Lieferketten, die weltweit steigende Inflation sowie neue Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.

Weltweites Wachstum wohl um 0,6 Prozent geringer als erwartet

„Wir gehen davon aus, dass das globale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr nur noch bei 3,4 Prozent liegen wird – 0,6 Prozentpunkte weniger als bislang prognostiziert“, folgert Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa beim internationalen Kreditversicherer Atradius, in einer aktuellen Analyse. Im nächsten Jahr rechnet Atradius mit einem weltweiten Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent.

Invasion Russlands befeuert Rohstoffpreise zusätzlich

Die Rohstoffpreise werden 2022 voraussichtlich erheblich steigen. Die bereits überhitzten Öl- und Gasmärkte zeigen nach der Invasion Russlands in der Ukraine erneut hohe Volatilität. Russland und die Ukraine produzieren weitere wichtige Rohstoffe wie Weizen, Gerste, pflanzliche Öle und Basismetalle – auch hier erwartet Atradius einen erheblichen Preisanstieg. „Die Androhung von Sanktionen gegen russische fossile Brennstoffe und die Ungewissheit über die Versorgung verschärfen die Marktknappheit“, erklärt Thomas Langen. Darüber hinaus beeinflusst der Russland-Ukraine-Konflikt einige spezifische Lieferketten negativ, wie die von Halbleitern und der Autoindustrie.

 

Probleme in den Lieferketten schwächen Handelswachstum

Zwischen Januar 2021 und Januar 2022 war der Welthandel noch um 10,3 Prozent gewachsen. Jetzt bremst der russische Angriffskrieg die positive Entwicklung der vergangenen Monate. Bis zum Ausbruch der Feindseligkeiten war das Handelswachstum in allen wichtigen Regionen breit angelegt. Es umfasste sowohl Investitions- als auch Konsumgüter, die Handelsdynamik hatte sich sogar leicht verbessert.

Dieser Schwung könnte in den kommenden Monaten nachlassen – Gründe sind der anhaltende Inflationsdruck und fortgesetzte Probleme in den Lieferketten. Nach dem Verringern der Covid-Beschränkungen verlagert sich die Nachfrage wieder von Waren auf Dienstleistungen. Fabrikschließungen im Zusammenhang mit Covid – eine weitere Quelle für Spannungen in den Lieferketten – dürften ebenfalls weniger werden, da sich die Pandemie eher verlangsamt.

Inflationsdruck wohl temporär – Fed und EZB mit Gegenmaßnahmen

Angespannte Versorgungsketten, hohe Transportkosten und die Situation auf den Energiemärkten treiben die Inflation auf ein seit Jahrzehnten nicht gesehenes Niveau. Langen rechnet 2022 mit einer weltweiten Inflation von durchschnittlich 6,1 Prozent. Im März lag die Inflationsrate in den USA bei etwa 8 Prozent, in der Eurozone mit 7,5 Prozent nur geringfügig darunter. „Wir sind der Meinung, dass der derzeitige Inflationsschub nur vorübergehend ist“, betont Langen.

Neben den Marktkräften ergreifen auch die geldpolitischen Entscheidungsträger stärkere Maßnahmen, um die Inflation abzuwehren. Die Fed hat ihr pandemisches Anleihekaufprogramm bereits gestoppt. Sie erörtert einen Plan zum Verkauf von Vermögenswerten und damit zur Schrumpfung ihrer Bilanz. Eine Zinserhöhung um einen Viertelpunkt hat bereits stattgefunden. Atradius rechnet mit weiteren Erhöhungen in diesem Jahr.

Auch die EZB hat ihr pandemiebedingtes Anleihekaufprogramm eingestellt. Zinserhöhungen sind noch nicht angekündigt, scheinen aber eine Frage der Zeit zu sein. Atradius geht von einer ersten Zinserhöhung im vierten Quartal 2022 oder im ersten Quartal 2023 aus – ob dies ausreichen wird, um die Inflation einzudämmen, bleibt abzuwarten.

Stimmung in der Eurozone verschlechtert sich – Deutschland und Italien besonders belastet

AdobeStock_180277815_crashing_arrowWeitere Unterbrechungen der Lieferketten, höhere Rohstoffpreise und die negativen Auswirkungen auf das Vertrauen der Unternehmen und Verbraucher – diese Auswirkungen des russischen Einmarsches in die Ukraine belasten das europäische Wachstum in den kommenden Quartalen. Die aktuelle Basisprognose von Atradius sieht ein BIP-Wachstum von 2,9 Prozent in diesem Jahr und 2,7 Prozent im Jahr 2023 vor. Damit liegt die Wirtschaft des Euroraums um 1,0 Prozentpunkte unter der Basisprognose vor der Invasion. „Sollten die Kämpfe in der Ukraine bis weit in 2023 hinein andauern, die Sanktionen verschärft und russische Gaslieferungen eingeschränkt werden, könnte das Wachstum in der Eurozone 2022 sogar auf 1,0 Prozent zurückgehen“, schätzt Thomas Langen.

Unter den großen Volkswirtschaften erwartet Atradius für 2022 eine Verringerung des BIP-Wachstums um -1,8 Prozent in Deutschland, -1,5 Prozent in Italien, um -0,7 Prozent in Frankreich, -0,3 Prozent in den Niederlanden und -0,6 Prozent in Spanien gegenüber der Prognose vor dem russischen Einmarsch.

Deutschland und Italien gehören zu den Ländern, auf die sich der Krieg am negativsten auswirkt. Beide Nationen unterhalten enge Handelsbeziehungen zu Russland. Zudem werden ihre Automobilindustrien voraussichtlich durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen. Die deutschen KFZ-Hersteller haben bereits vorübergehende Produktionskürzungen aufgrund eines Mangels an Teilen aus der Ukraine angekündigt. In Italien sind ähnliche Probleme eine Frage der Zeit. Darüber hinaus hängen beide Länder stark vom Gas aus Russland ab.

Inflation in der Eurozone 2022 bei rund 5 Prozent

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine verschärft den bestehenden Preisdruck, der durch Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage verursacht wird, weiter. Dies zeigt sich in den Inflationsprognosen 2022 für die Eurozone. Thomas Langen: „Die Unternehmen sehen sich mit einem noch nie dagewesenen Anstieg der Einkaufspreise konfrontiert und müssen in der Folge deutlich höhere Verkaufspreise an die Kunden weitergeben.“ Die Gesamtinflation in der Eurozone stieg im Februar auf 5,9 Prozent. Für den Rest des ersten Halbjahres 2022 wird sie wohl nahe bei 5,5 Prozent liegen und im Gesamtjahr bei durchschnittlich 4,8 Prozent.

Anzahl der Insolvenzen im Jahr 2022 steigt, Prognose für Deutschland bei 11 Prozent

Die aktuelle Lage treibt auch die Insolvenzzahlen nach oben. „Wir erwarten einen starken Anstieg der Unternehmenszusammenbrüche in diesem Jahr, da die staatlichen Unterstützungsregelungen allmählich auslaufen“, schätzt Thomas Langen.

Weltweit rechnet Atradius 2022 mit einem Anstieg der Insolvenzen um 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Gründe: verzögerte Insolvenzen in den Jahren 2020-2021, die Rückkehr der Insolvenzen auf ein „normales“ Niveau mit dem Auslaufen der fiskalischen Unterstützung und die Auswirkungen des geringeren BIP-Wachstums. Für die Eurozone gilt: Es dürften die Märkte am stärksten betroffen sein, in denen die staatliche Unterstützung ausläuft, die aber 2021 noch keinen hohen Insolvenzanstieg verzeichneten. Dazu gehören Portugal, die Niederlande, Belgien, Frankreich sowie außerhalb Europas die Vereinigten Staaten und Japan. Für Deutschland prognostiziert Atradius 2022 einen Anstieg der Unternehmenszusammenbrüche um 11 Prozent.

Chance auf Relativierung der Insolvenzen im Jahr 2023

Nach 2023 erwartet Atradius einen Rückgang der Insolvenzen oder eine annähernd konstante Entwicklung – das Insolvenzniveau hat sich weitgehend normalisiert und Zombie-Unternehmen, die ohne Unterstützung nicht überleben, sind bereits insolvent. In den kommenden Jahren werden sich die Unternehmen laut Thomas Langen auf ein Umfeld ohne nennenswerte staatliche Unterstützung einstellen müssen – für Betriebe, die sich während der Pandemie stark verschuldeten, könnte dies eine Herausforderung sein.

 

Noch mehr Ausblicke und Einblicke

Die Publikationen von Atradius geben einen Überblick über die Wirtschaftslage in mehr als 40 Ländern sowie Ausblicke auf den Handel wichtiger Industrien.

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